EWWU und Wernerplan

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Wissenschaftliche Arbeit im Rahmen des Moduls „Geschichte der europäischen Integration“ an der Leuphana Universität von Florian Dyballa

Welche Rolle spielte der Wernerplan für die Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) aus deutscher Sicht?

1. Einleitung

Die Zeit ab Mitte der 1960er bis Ende der 1970er Jahre wird in der Geschichte der europäischen Integration oft als eine Phase des Stillstandes charakterisiert. Die Langzeitperspektive zeigt aber die Bedeutung der in jenen Jahren getroffenen Konzepte für die europäische Einigung. Hervorzuheben sind dabei die Gipfeltreffen in Den Haag (1969) und Paris (1972), die beide als „Meilensteine“ mit grundlegenden „Integrationstrends“ zu sehen sind. Es stellen sich im Folgenden eine Reihe von Fragen, wie: Was war der historische Kontext?, Auf welche Ziele einigte man sich und aus welchen Gründen?, Was hatten diese für Auswirkungen für die Integrationsdynamik der Gemeinschaft? (vgl. Knipping 2004, S. 3 f.)

Damit soll sich im Folgenden auseinandergesetzt werden, denn die verstärkte europäische Kooperation ist nicht nur Resultat externer Faktoren, sondern wird maßgeblich – und das zeigt vor allem die Währungsfrage – vom deutsch-französischen Dialog und bilateralen Kompromissen geprägt. Die historischen Ereignisse jener Zeit sollen zunächst nachgezeichnet und anschließend chronologisch näher analysiert werden, um aus deutscher Sicht die Frage zu klären, welche Rolle der Wernerplan für die Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion spielte.

Es handelt sich hierbei um ein gut dokumentiertes und erforschtes Gebiet, weshalb auf eine große Zahl an Primärliteratur in Form von Ratsbeschlüssen, Reden, Stellungnahmen und Zeitungsartikeln zurückgegriffen werden kann. Darüber hinaus steht ebenso inhaltsreiche Sekundärliteratur, wie die von Hans Tietmeyer zur Verfügung. Dieser leitete in der Vergangenheit die Europaabteilung für Währungsfragen des Bundeswirtschaftsministeriums und war zudem Stellvertreter für Staatssekretär Schöllhorn in der Arbeitsgruppe zum Wernerplan. Aber auch die Werke vieler anderer Wissenschaftler wie Gerhard Brunn, Joachim Schuster oder Claus Thomasberger werden in dieser Ausarbeitung einbezogen.

Die Forschungsdiskussion jenes Themas wird von zwei grundliegenden Positionen geprägt:
Der Wissenschaftler Andreas Wilkens sieht den Wernerplan als einen wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zur EWWU. Die in jener Zeit gesammelten Erfahrungen haben seiner Meinung nach die weitere monetäre Integration der Gemeinschaft nachhaltig geprägt.

Claus Thomasberg sieht hingegen die weiteren Entwicklungen zur EWWU unabhängig vom Wernerplan. So ist beispielsweise die Gründung des Europäischen Währungssystems seiner Meinung nach das Resultat veränderter Marktgegebenheiten und weniger eine fortgeführte Integrationsperspektive des Werner-Berichts.

Auf beide Positionen wird zu gegebener Zeit noch einmal detaillierter eingegangen, denn blickt man zurück, so hat bereits der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministerium 1953 festgestellt: „ein Charakteristikum für einen europäischen Binnenmarkt ist eine gemeinsame Währung“ (vgl. Deutsche Bundesbank 1969). In den Römischen Verträgen von 1957 wurde der Währungsintegration jedoch zunächst keine große Beachtung geschenkt. Lediglich die Festlegung der Wechselkurse findet in Artikel 107 als „Angelegenheit von gemeinsamen Interesse“ mittelbare Erwähnung (vgl. Schuster 1994, S. 72 f.).

Der Grund hierfür lag im noch störungsfrei funktionierenden Bretton-Woods-System, ein auf den US-Dollar bezogenes Leitwährungssystem, das eine eigene europäische Geld- und Währungspolitik überflüssig machte. Erst nachdem in den sechziger Jahren Unsicherheiten innerhalb des Weltwährungssystems auftraten, wurde die Währungsunion zu einem bedeutenden Integrationsprojekt der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Brunn 2002, S. 214 f.).

Erste konkrete Bemühungen wurden 1961 nach einer für die anderen EWG-Staaten überraschenden Aufwertung von Deutscher Mark und Niederländischen Gulden unternommen. Die Notwendigkeit einer stärkeren innereuropäischen Koordination wurde deutlich. Die Europäische Kommission reagierte sehr bald und verkündete 1962 ein Aktionsprogramm zur verbesserten Zusammenarbeit in Währungsfragen. Dieses sah unter anderem die Errichtung drei neuer Ausschüsse vor, die jedoch lediglich den Charakter unverbindlicher Konsultations-, Informations- und Beratungsgremien hatten. Dementsprechend entwickelte die Initiative keine größere Wirkung (vgl. Thomasberg 1993, S. 157).

Die seit den sechziger Jahren stetig steigenden Staatsdefizite der Vereinigten Staaten, vor allem in Folge des Vietnamkrieges, führten zu einer Inflation und durch den Mechanismus der festen Wechselkurse in Europa zu einer unfreiwilligen Mitfinanzierung der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik (vgl. Brunn 2002, S. 214 f.). Die im Ausland angehäuften Dollarmengen überstiegen die amerikanischen Goldreserven bei weitem.

Vor diesem Hintergrund ging das Vertrauen in den Dollar verloren und die Zweifel an der Garantie des Goldumtausches nahmen immer weiter zu. Die Folge war ein Sturm auf die amerikanischen Goldreserven sowie eine damit einhergehende Spekulationswelle gegen den Dollar Die USA reagierten hierauf mit einer Aufkündigung ihrer Konvertibilitätsverpflichtung. Lediglich gegenüber Zentralbanken wollte man den Goldstandard weiterhin einhalten (vgl. Thomasberg 1993, S. 106-111).

Die Volkswirtschaften Westeuropas wurden dadurch erheblich gestört. Die unerwünschte währungspolitische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten als Leitwährungsland wurde immer deutlicher. Der für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) wichtige Rahmen fixierter Preisen wurde nachhaltig gestört (vgl. Tietmeyer 1992, S. 246).

Als Georges Pompidou im April 1969 die Nachfolge des zurückgetretenen Charles de Gaulles antrat, regte er in einer ersten Pressekonferenz ein Gipfeltreffen zur Vollendung, Vertiefung und Erweiterung der Gemeinschaft an (vgl. ebd., S. 177).

Damit sollte die Gemeinschaft 1969 einen zweiten Anlauf zur Vertiefung der Währungsintegration unternehmen (vgl. Schuster 1994, S. 72 f.). Die Initiative zur „Vertiefung“ war nicht nur vor dem Hintergrund der Probleme im Preisgefüge des gemeinsamen Agrarmarktes zu sehen. Gemäß EWG-Vertrag trat die Gemeinschaft 1970 zudem in ihre Endphase ein. Die Zollunion war vorfristig verwirklicht worden. Um die Dynamik des Integrationsprozess nicht zu gefährden, erschien es notwendig neue Ziele zu definieren (vgl. Krägenau; Wetter 1993, S. 8 f.).

Innerhalb des Gipfels in Den Haag bekräftigten die Staats- und Regierungschefs im Dezember 1969 die Absicht, das in Rom begonnene Werk entschlossen fortzusetzen (vgl. Brunn 2002, S. 181). Man verkündete u.a. das Vorhaben, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in eine Wirtschafts- und Währungsunion auszuweiten (vgl. Magnifico 1977, S. 217). Im März 1970 beschloss der Rat daraufhin die Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter Vorsitz des luxemburgischen Premiers und Finanzministers Pierre Werner (vgl. Thomasberg 1993, S. 160).

Sowohl die Pläne einzelner Regierungen, als auch die der Kommission hatten deutlich gemacht, dass es bei der Gestaltung des Stufenplans erhebliche Meinungsverschiedenheiten gab. Die unterschiedlichen Auffassungen über das oberste Ziel einer Währungsgemeinschaft trafen im Werner-Ausschuss aufeinander. Der „ökonomistische“ Ansatz, den die Bundesrepublik vertrat, sah angesichts der großen Strukturunterschiede in einer raschen währungsmäßigen Bindung zu große Risiken. Demgegenüber stand die „monetäre“ Position Frankreichs, die durch eine möglichst frühzeitige währungsmäßige Bindung darauf abzielte, einen Zwang zur strukturellen Angleichung auszulösen (vgl. o.V. 1971, S. 123 f.).

Nach fünf Sitzungen mit zum Teil hitzigen Diskussionen im Ausschuss konnte den Regierungsvertretern Ende Mai 1970 ein Zwischenbericht in Venedig vorgelegt werden (vgl. Hiepel 2012, S. 97). Die erheblichen Meinungsverschiedenheiten über das Integrationskonzept bestanden dennoch weiter, wie nicht zuletzt in den Diskussionen über den Entwurf der Ratsentschließung vom 29.10.1970 deutlich wurde (vgl. Krägenau; Wetter 1993, S. 8).

In seiner endgültigen Fassung wurde der „Bericht an Rat und Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft“ im Oktober 1970 vorgelegt (vgl. Thomasberg 1993, S. 160). Die darin angestrebte EWWU sollte „Wachstum und Stabilität in der Gemeinschaft“ sichern, einen Beitrag zum „wirtschaftlichen und monetären Gleichgewicht der Welt“  leisten und „aus der Gemeinschaft ein[en] Stabilitätsblock“ machen. Die Expertengruppe sprach sich im Werner-Bericht dafür aus, die WWU noch „im Laufe dieses Jahrzehnts“ erreichen zu wollen (vgl. Brunn 2002, S. 216).

Die Idee eines einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraums sollte schrittweise durch eine Zusammenführung der nationalen Wirtschafts-, Haushalts- und Geldpolitik sowie deren immer stärkere Steuerung durch einen Aufbau von Gemeinschaftsinstitutionen vorbereitet werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielten darauf ab, sowohl die Währungs- als auch die Wirtschaftspolitik parallel voranzutreiben und damit die Diskrepanz zwischen „Krönungstheorie“ (Ökonomisten) und „Lokomotive“ (Monetaristen) zu überwinden. Die Kernfrage der notwendigen institutionellen Weiterentwicklung und der entsprechenden Ergänzung bzw. Änderung der Verträge blieb aber bis auf sehr allgemeine Formeln ungeklärt und vorläufig offen. (vgl. Thomasberg 1993, S. 160)

Nach der Veröffentlichung des Werner-Berichts war deutlicher Gegenwind spürbar. Wo Willy Brandt in der Umsetzung der gemachten Vorschläge die weitreichendsten Entscheidungen seit Unterzeichnung der Römischen Verträge sah, lehnte Frankreich die Übertragung nationale Souveränitätsrechte auf Gemeinschaftsebene entschieden ab (vgl. Hiepel 2012, S. 104 ff.).

Beide Länder standen im Zentrum der Auseinandersetzung und eine Einigung konnte nur durch hohe Zugeständnisse auf ökonomistischer Seite während des deutsch-französischen Gipfeltreffens vom 25. und 26. Januar 1971 erzielt werden (vgl. ebd., S. 113).

Im März 1971 brachte der Ministerrat daraufhin den vorgelegten Plan mit entsprechenden Anpassungen auf den Weg. Innerhalb jener Resolution wurde eine Liste von Maßnahmen aufgenommen, die innerhalb der 1. Stufe ab Juli 1971 umgesetzt werden sollten (vgl. o.V. 1972, S. 142 ff.).

Obwohl alle Memoranden und Stellungnahmen nach Den Haag forderten, die Währungsunion mit einer Wirtschaftsunion abzusichern und die Politische Union auch im Werner-Bericht als unverzichtbar im Zusammenhang mit der EWWU gesehen wurde, tauchte dieser Grundsatz in den Entschließungen nicht mehr auf (vgl. Krägenau; Wetter 1993, S. 8).

Unterdessen schlug die Zukunft aber einen anderen Weg ein, dessen Entwicklungen die Ratsbeschlüsse nicht standhalten sollten. In Folge einer Währungskrise im Frühjahr 1971 konnten sich die EWG-Staaten nicht auf gemeinsame Abwehrmaßnahmen einigen. Zweifel an den Realisierungschancen der EWWU kamen auf. Stabilitätspräferenzen, Konjunkturlagen und Strukturdifferenzen schienen zu unterschiedlich, um sie kurzfristig überwinden zu können (vgl. o.V. 1972, S. 143).

Das war soweit auch nicht verwunderlich, wurde doch bereits im Abschlussbericht der Werner-Gruppe darauf hingewiesen, dass „hinsichtlich der Verwirklichung des Wachstums- und Stabilitätszieles zwischen den Mitgliedsstaaten noch deutliche Unterschiede bestehen“ und „ohne eine effektive Harmonisierung der Wirtschaftspolitik die Gefahr der Entstehung von Ungleichgewichten weiterhin gegeben ist“.

Einige Länder, darunter die Bundesrepublik Deutschland, gaben die feste Bindung an den Dollar vorübergehend auf und ließen ihre Währungen frei schwanken. Erst nach einer von den USA einberufenen Währungskonferenz im Dezember 1971 kehrten diese Länder wieder zu festen Wechselkursen gegenüber dem Dollar zurück (vgl. Magnifico 1977, S. 242 f.). Im sogenannten „Smithsonian Agreement“ wurden neue Wechselkursparitäten fixiert und die zulässige Schwankungsbreite auf +/- 2,25% ausgeweitet. Dies bedeutete, dass die Schwankungsbreiten zweier europäischer Währungen gegeneinander auf 4,5% ausgedehnt worden waren. Dies widersprach aber allen Initiativen der Entwicklung enger Schwankungsbreiten im Rahmen der Annäherung an die Ziele der EWWU und drohte abermals, den gemeinsamen Agrarmarkt aus den Angeln zu heben (vgl. Thomasberg 1993, S. 164 ).

Ein weiterer Anlauf kam daher unter Berücksichtigung der neuen Ausgangslage mit der Entschließung des Rates vom 6./7. März 1972 zustande (vgl. o.V. 1972, S. 145). Man verständigte sich auf eine Zone noch höherer Währungsstabilität. Zielsetzung war eine Halbierung der zulässigen Schwankungsbreiten im Vergleich zum Dollar.

Das im April 1972 verabschiedete Basler Abkommen schuf einen Europäischen Wechselkursverbund, welcher ein – wie von der Werner-Gruppe vorgeschlagen – abgestimmtes Interventionsverhalten vorsah (vgl. Brunn 2002, S. 217 f.). Die Notenbanken waren nunmehr im Rahmen ihrer Mitgliedschaft dazu verpflichtet, schwache Währungen durch Stützkäufe zu stabilisieren (vgl. Magnifico 1977, S. 220).

Der Wechselkursverbund erlebte in den folgenden Monaten und Jahren ein wechselvolles Leben. Währungen – auch außerhalb der EWG – schlossen sich der Schlange an und mussten sie in Folge neuer Währungsspekulationen und der Ölpreiskrise letztlich wieder verlassen (vgl. Thomasberg 1993, S. 164 ). Die Probleme fingen an sich zu häufen und es schien als würde sich die Gemeinschaft von einer Krise zur Nächsten schleppen (vgl. Brunn 2002, S. 220). Neue Anläufe, mit dem Ziel einer den USA währungspolitisch gleichberechtigten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, sollten daher erst ab 1979 wieder Erfolg haben (vgl. ebd., S. 246).

2. Hauptteil

Die deutsche Haltung zu Wirtschafts- und Währungsfragen ist zweifellos mit Ludwig Erhard und seiner Politik der internen Geldwertstabilität verbunden. Die Stabilität der Währung war für ihn „oberstes Gebot“ und verdiente sogar zu den „menschlichen Grundrechten“ gezählt zu werden. Erhards liberale Vorstellungen haben daher auch die Ausgestaltung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) maßgeblich beeinflußt.
Zudem war man innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, ausgehend von den Erfahrungen der Hyperinflationen in der Vergangenheit, gegenüber inflationären Risiken sensibilisiert. Man fühlte sich durch die neuen, positiven Erfahrungen bestätigt, dass eine Notenbank ihren Stabilitätsauftrag nur erfolgreicher verfolgen kann, wenn sie nicht von der Politik beeinflusst wird. So ist die Deutsche Bundesbank „bei der Ausübung der Befugnisse (…) von Weisungen der Bundesregierung unabhängig.“ (§12, BBankG, vgl. Tietmeyer 1996, S. 49-57).

2.1 Bretton-Woods-System

Die Existenz eines die gesamte westliche Welt einbeziehenden Leitwährungssystems machte besondere europäische Initiativen zur Stabilisierung von Währungsbeziehungen überflüssig. Die Zollunion konnte sich sehr dynamisch entwickeln, gerade weil das globale Währungssystem einen stabilen Rahmen darstellte, der störende Einflüsse fernhielt (vgl. Thomasberg 1993, S. 156).

2.2 Memorandum der Kommission (Barre-Plan)

Der Vorschlag zur engeren europäischen Währungszusammenarbeit war bereits im „Barre-Plan“ vom Februar 1969 enthalten. Dieser plädierte für die „Aktivierung und Verstärkung der (…) bis dato kaum genutzten Bestimmungen des EWG-Vertrages zur währungspolitischen Zusammenarbeit“. Bundeskanzler Kiesinger reagierte positiv auf den Vorschlag und auch der EG-Rat billigte den Plan im Juli 1969. Die verstärkte Währungskooperation stand somit bereits vor dem Gipfeltreffen in Den Haag auf der Agenda (vgl. Wilkens 2004, S. 219 ff.).

Die Frage nach der zukünftigen Währungskooperation wurde aber erst dringlich als die französische Währung im Herbst 1968 deutlich an Stabilität verlor. Nach dem Regierungswechsel im August 1969 musste der Franc deutlich abgewertet werden, die D-Mark wurde demgegenüber zwei Monate später deutlich aufgewertet. Diese notwendige Maßnahme machte den unbefriedigenden Zustand der internationalen Währungsordnung deutlich. Die Schaffung eines europäischen Währungsgebietes wurde damit zwar schwieriger, die Verwirklichung jedoch zugleich umso dringlicher (vgl. Magnifico 1977, S. 217).

Die ersten Beratungen im Ministerrat über das Memorandum zeigten jedoch, dass es deutliche Skepsis von deutscher Seite gegenüber der währungspolitischen Stützaktionen gab. „Die Europa-Währung muß so lange eine Fata Morgana bleiben, wie die Koordinierung der Wirtschaftspolitik nicht weitgehend verwirklicht ist.“, hieß es in einer Pressemitteilung der Bundesbank vom 17. September 1969. Die deutschen Währungshüter sahen „erhebliche Risiken, insbesondere für die Preisniveaustabilität“ und auch die bei Mehrheitsentscheidung „zustande kommende Wirtschafts- und Währungspolitik würde mit Sicherheit unseren bisherigen Stabilitätsanforderungen kaum entsprechen“. Man fürchtete durch das Währungsungleichgewicht innerhalb des gemeinsamen Marktes einen Inflationsimport (vgl. Deutsche Bundesbank 1969).

2.3 Gipfel von Den Haag

Die Gefahr der Währungsturbulenzen für die Offenheit des Gütermarktes wurde jedoch immer bedrohlicher, was zu einem Antrieb der Harmonisierungsbemühungen führte. Auch der Deutsche Stufenplan von Oktober 1969 hielt eine Weiterentwicklung der Gemeinschaft für „dringend erforderlich“. Die EWWU wurde als Voraussetzung angesehen, um die „volle Nutzung der wirtschaftlichen Kräfte Europas, für die Verwirklichung der politischen Integration und Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Position Europas“ zu nutzen (vgl. Thomasberg 1993, S. 159).
Bundeskanzler Brandt begrüßte den „kühnen, aber auch realistischen Plan“ und bewertete ihn als „eine gute Ausgangsbasis“, erinnerte jedoch zugleich daran, dass eine angemessene Parallelität von wirtschafts- und währungspolitischer Integration gewährleistet werden muss (vgl. Hiepel 2012, S. 96).

Innerhalb der Gemeinschaft kam die Idee auf, die D-Mark mit den schwachen Währungen zu verbinden. In diesem Zusammenhang gab es aber von deutscher Seite den Verdacht, Frankreich wolle monetäre Vorteile nutzen, ohne im Gegenzug wirtschaftspolitischen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. Wilkens 2004, S. 229). In der Tat ging es Frankreich zu jener Zeit vor allem um die Vollendung des Agrarmarktes, dessen Finanzen durch das Währungswirrwarr 1968/69 durcheinander geraten waren (vgl. Brunn 2002, S. 183 ff.). Doch obwohl der Vorstoß auf Widerstand seitens der Bundesrepublik traf, gab Willy Brandt dem französischen Drängen aus politischen Gründen nach.

Er schlug den sechs Staats- und Regierungschefs in Den Haag die Einrichtung einer „Wirtschafts- und Währungsunion“ zur Eliminierung der Wechselkursschwankungen vor (vgl. ebd. 2002, S. 215). Der Bundeskanzler machte beim Gipfeltreffen am 1. und 2. Dezember 1969 aber auch die deutsche Position deutlich und wies auf die Notwendigkeit hin „eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu entwickeln“, zu der vor allem ein „konvergentes Verhalten“ gehöre (vgl. Brandt 1969).

Unter Punkt 8 beschlossen die EWG-Staaten daraufhin einen Stufenplan zur Verwirklichung der EWWU auszuarbeiten, dessen Abfolge dem deutschen Vorschlag entsprechen sollte (vgl. Wilkens 2004, S. 226). Man setzte zu diesem Zweck eine Expertenkommission unter Leitung des luxemburgischen Premiers und Finanzministers Pierre Werner ein. In Deutschland war man über die Ernennung von Werner jedoch wenig begeistert, da dieser zuvor Kritik an den Forderungen der Bundesrepublik geübt hatte. Es entstand der Eindruck, es solle ein Gegengewicht zur deutschen Position geschaffen werden (vgl. Hiepel 2012, S. 96 f.).

Die auf dem Gipfel in Den Haag getroffenen Entschlüsse entsprachen zwar nicht den hohen Erwartungen der damaligen Zeit, gelten aber vor allem im Bezug auf die EWWU als richtungsweisend (vgl. Brunn 2002, S. 183 ff.). So lobte der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) die Konferenz im Anschluss als „herausragendes integrationspolitisches Ereignis“, das die „mehrjährige Phase der Stagnation beendet“.

2.4 Verhandlungen und Zwischenbericht der Werner-Gruppe

Die ersten Gespräche der eingesetzten Werner-Gruppe über die Endphase der EWWU wurden vor allem durch die Vertreter des ökonomischen Ansatzes – darunter Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller – geprägt. Giscard d´Estaing hielt es als Befürworter der monetaristischen Position hingegen nicht für dringlich, Details von Institutionen festzulegen, die erst nach zehn Jahren aktuell werden sollten (vgl. Wilkens 2004, S. 232).

In einem Zwischenbericht des Werner-Ausschusses, der innerhalb der Tagung von Finanzministern und Notenbankchefs am 29. und 30. Mai 1970 in Venedig vorgelegt wurde, hieß es „die wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen müssen auf der Ebene der Gemeinschaft getroffen und somit die notwendigen Kompetenzen von der nationalen Ebene auf diejenige der Gemeinschaft übertragen werden“. Der italienische Ministerpräsident Mariano Rumor sprach sich infolgedessen jedoch gegen eine allzu deutliche Festlegung aus, die zum Scheitern des gesamten Planes führen könnte. Er wies darauf hin, dass Frankreich sich nicht für eine EWWU mit derart weitreichenden institutionellen Konsequenzen aussprechen werde und trug damit dazu bei, dass der Ausschuss in sechs weiteren Sitzungen bis Oktober 1970 die noch strittigen Fragen klären konnte (vgl. Hiepel 2012, S. 102).

Einstimmig wurde der Abschlussbericht vom Werner-Ausschuss verabschiedet. Trotz unterschiedlicher Ausgangspositionen war es gelungen, „einen vertretbaren Kompromiss zwischen (…) wirtschaftspolitischen und europäischen Zielstellungen“ zu finden (Kurzbericht über die 11. Sitzung der „Werner-Gruppe“ am 7./8.10.1970 in Luxemburg, BAK B102, 93463). Dieser trug aber „stark ökonomistische Züge“, wie es Rolf Hasse in seiner Analyse formulierte (vgl.  Krägenau; Wetter 1993, S. 125).

2.5 Wernerplan

Im vorgelegten Werner-Bereich einigte man sich auf ein paralleles Heranschreiten der Maßnahme, was im Folgenden den Begriff der „effektiven Parallelität“ auf deutscher Seite prägte. Gemeint war damit, dass die ökonomische Harmonisierung wegen der zeitlich verzögerten Wirkungen einzelner Maßnahmen im Prinzip vor der monetären Integration stattfinden müsse (vgl. Hiepel 2012, S. 102). Bei der Definition der einzelnen Stufen war man jedoch weniger detailliert. Die Arbeitsgruppe konnte sich nicht zu klaren Aussagen durchringen (vgl. Thomasberg 1993, S. 161).

Nach Vorlage des fertigen Werner-Berichts waren die Reaktionen auf deutscher Seite durchweg positiv. Das Bundeswirtschaftsministerium kam zu dem Schluss, dass sich die Bundesregierung dem Werner-Bericht „vollinhaltlich anschließen“ könne. Das Ergebnis entspräche „weitgehend den deutschen wirtschafts- und europapolitischen Zielsetzungen“ (Aufzeichnung, 27.10.1970, E 1/IA1-030000/10). Obwohl sich die Bundesrepublik letztlich in vielen strittigen Punkten durchsetzen konnte, kommentierte Schiller selbst die Ergebnisse eher nüchtern. So sagte er, man sei „im Interesse der Europapolitik bis an die Grenzen des wirtschafts- und stabilitätspolitisch Vertretbaren gegangen“ (vgl. Schiller an Brandt, 14.10.1970, BAK B102, 93463).

Das Auswärtige Amt würdigte den Bericht hingegen als „realistisches, ausgewogenes Konzept“, das der EWG – wenn auch nicht bis ins Detail – neue Impulse zu einer politischen Gemeinschaft verleihe (vgl. Runderlass des Vortragenden Legationsrates I. Klasse von Bismarck-Osten, 30.10.1970, AAPD1970, Dok. 503).

Bundeskanzler Brandt wollte die positive Stimmung nach dem Gipfel von Den Haag für seine Europapolitik nutzen und strebte eine Implementierung des Wernerplans noch unter deutscher Ratspräsidentschaft, also bis Ende 1970, an. Dieser Wunsch konnte jedoch letztlich nicht realisiert werden. Die Ministerratssitzung am 14. Dezember 1970 endete aufgrund von französischen Widerständen ergebnislos (vgl. Hiepel 2012, S. 106 ff.).

Nach Ansicht Frankreichs hatte der Werner-Bericht nach Vorlage des Zwischenberichts eine Eigendynamik entwickelt, die es so nicht hätte geben dürfen: „Den Werner-Plan als Ganzes können wir nicht akzeptieren.“ (vgl. Aufzeichnungen Bernard für Pompidou, 2.11.1970, CHAN 5AG2, 58). Diese Auffassung teilte auch Pompidou, der den Werner-Bericht als Provokation empfand. Vor allem mit Blick auf die darin enthaltenen deutschen Elemente, die auf eine politische Union abzielten. Er wollte das Reformtempo aus der währungs- und wirtschaftspolitischen Entwicklung herausnehmen, was dem deutschen Konzept eines raschen Fortschritt im Integrationsprozess widersprach (vgl. Hiepel 2012, S. 112).

2.6 Verabschiedung des Stufenplans

Der Europäischen Kommission fiel nun die schwierige Aufgabe zu, Empfehlungen für die Annahme des Stufenplans zur Verwirklichung der EWWU auf Grundlage des Wernerplanes zu entwickeln. Diese Vorschläge waren letztlich jedoch sehr abgeschwächt, was als Versuch gewertet werden kann, Frankreich entgegenzukommen. Dieses Vorgehen hatte aber einhellige Kritik auf deutscher Seite zur Folge. So sagte Schiller im Deutschen Bundestag, der Werner-Plan dürfe keinesfalls „verwässert“ werden (vgl. Wilkens 2004, S. 237).

Die Ratsverhandlungen am 14. Dezember 1970 in Brüssel gestalteten sich dementsprechend schwierig. Frankreich enthielt sich jeglicher Stellungnahme (vgl. ebd., S. 240). Ein Weiterkommen gab es auch nach elfstündiger Beratung nicht. Das supranationale Integrationskonzept verlor zunehmend an Glanz und beim BDI gewann man den Eindruck, dass „die nationalen Interessen wieder im Vormasch seien und Integrationsfortschritte nur noch auf dem jeweils geringsten Gemeinschaftsnenner erzielt werden“ (vgl. BDI, in: Tietmeyer 1992, S. 444).

2.7 Deutsch-französische Gipfelkonsultationen

Eine Einigung erfolgte erst auf dem deutsch-französischen Gipfeltreffen vom 25. und 26. Januar 1971. Bundeskanzler Brandt ersuchte bei Pompidou die „politische Willenserklärung“, dass man vor Ende der ersten Stufe eine Einigung über das weitere politische Vorgehen erzielen müssen. Gegen diese biegsame Formel hatte auch der französische Präsident nichts einzuwenden und war daher bereit, einer Sicherungsklausel zuzustimmen. Dieser Vorbehalt sollte entsprechend so terminiert werden, dass er nur kurze Zeit über die erste Stufe der EWWU hinaus gültig wäre. Auf deutscher Seite erhoffte man sich dadurch einen „heilsamen Druck“, um einen parallelen Fortschritt auf den Weg in die zweite Stufe zu erreichen. Wäre dies nicht möglich, so wäre die Außerkraftsetzung der monetären Vereinbarungen die Folge (vgl. Wilkens 2004, S. 242 f.).

Mit dem ausgehandelten Kompromiss konnte der Ministerrat am 9. Februar 1971 die Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in Etappen beschließen. Die erste Stufe sollte am 1. Juli 1971 in Kraft treten. Man stellte im Beschluss klar, dass die erste Stufe „nicht als ein Ziel an sich“ angesehen werden darf, sondern „unlöslich mit dem Gesamtprozess der Wirtschafts- und Währungsintegration“ verbunden ist. „Sie muß daher mit der Entschlossenheit in Angriff genommen werden, dass Endziel zu erreichen.“ (vgl.  Beschluß des Ministerrats der EG vom 8./9. Februar 1971 über die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion).

Als Integrationsprojekt mit politischem Anspruch war die EWWU nun nicht mehr angelegt und man beschränkte sich auf monetäre Kooperation und ökonomische Koordination innerhalb der Gemeinschaft. Pompidou hatte sein Ziel damit erreicht. Die angestrebte Währungsunion war in Gang gesetzt, ohne dass weitreichende institutionelle oder politische Forderungen damit verbunden waren.

Willy Brandt opferte die ökonomistische Position und akzeptiere den monetären Zug der ersten Stufe, in der Hoffnung auf spätere Zugeständnisse hinsichtlich der Parallelität. Er stellte damit nationale Interessen, hinter die der Gemeinschaft und sicherte so den weiteren Fortgang der Integrationsbemühungen (vgl. Hiepel 2012, S. 116 f.).

2.8 Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems

Nur wenige Zeit später lösten Devisenspekulationen eine weitere Währungskrise aus. Die diesbezüglich am 8. und 9. Mai 1971 in Brüssel durchgeführten 20-stündigen Beratungen blieben jedoch ohne Ergebnisse. Das von der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagene gemeinsame, vorübergehende Floaten der EWG-Währungen gegenüber dem Dollar scheiterte abermals am französischen Widerstand. Die Regierungen in Bonn und Den Haag setzten am nächsten Tag aufgrund massiver Dollarzuströme die Notierungen von Mark und Gulden aus, wohingegen andere EG-Länder zu einer verstärkten Kontrolle des Geld- und Kapitalverkehrs übergingen (vgl. Thomasberg 1993, S. 163).

Der Wernerplan ging jedoch von festen Wechselkursen gegenüber dem Dollar aus (vgl. Reupke 2000, S. 22). Somit wurde die in der ersten Stufe der EWWU vorgesehene Bandbreitenverringerung hinfällig. Es zeigte sich immer deutlicher ein grundliegendes Problem. Man hatte zwar die Währungen, nicht aber die Wirtschaftspolitik miteinander verbunden. So kam es dazu, dass am Markt gezielt gegen schwächere Währungen spekuliert wurde (vgl. Brunn 2002, S. 219).

Als vermehrt europäische Zentralbanken bei der Federal Reserve einen Antrag auf Wertsicherung ihrer Dollarbeträge stellten, reagierte Präsident Nixon am 15. August 1971 – im Rahmen seines neuen Wirtschafts- und Währungsprogramms – mit der Aussetzung der Goldkonvertibilität. Der US-Dollar als internationale Leitwährung hatte damit defacto keinen festgeschriebenen Gegenwert mehr (vgl. Emminger 1986, S. 193). Trotz des Beschlusses auf der Washingtoner Währungskonferenz zum System fester Wechselkurse zurückzukehren, sahen sich viele Zentralbanken einige Monate später nicht mehr in der Lage, stabilisierend in den Markt einzugreifen.

So musste die Bundesbank allein am 1. März 1973 fast acht Milliarden Mark neu ausgeben, um Währungsspekulationen entgegenzuwirken. Die Dollarkäufe sorgten allerdings für eine importierte Inflation, die den deutschen Stabilitätsvorstellungen widersprach. „Da zogen wir die Notbremse. Das war die Totenglocke für das Paritätssystem vom Bretton Woods.“, so der damalige Bundesbankpräsident Otmar Emminger. Die Devisenbörsen der Bundesrepublik und weiterer Industrienationen wurden geschlossen und erst nach über zwei Wochen, nachdem „das ganze Währungstrümmerfeld bereinigt war“ unter Freigabe der Paritäten wiedereröffnet (vgl. Emminger 1986, S. 240 ff.). Das Ende des Bretton-Woods-Systems wurde von Ludwig Erhard nicht ohne Genugtuung kommentiert (vgl. Tietmeyer 1996, S. 55).

2.9 Europäischer Wechselkursverbund

Es kam zum Basler Abkommen, welches im April 1972 die sogenannte „Währungsschlange“ aus der Taufe hob. Eine Maßnahme die bereits im Wernerplan in Abschnitt III Nr. 7 Erwähnung fand. Demnach sollten die Zentralbanken durch „abgestimmte Aktion gegenüber den Dollar die Wechselkursschwankungen (…) innerhalb engerer Bandbreiten halten“.
Nachdem das Weltwährungssystem seiner Rolle immer weniger gerecht wurde, richteten die Notenbanken der EWG-Staaten den „Europäischen Fond für währungspolitische Zusammenarbeit“ ein, mit dem Ziel, innerhalb der Gemeinschaft eine Zone stabiler Wechselkurse zu schaffen. Es kam jedoch weiterhin zu spekulativen Bewegungen anderer Gemeinschaftswährungen gegenüber der D-Mark und auch der „Ölpreisschock“ stellte den Europäischen Wechselkursverbund auf eine harte Probe (vgl. Magnifico 1977, S. 242 ff.)  Das Zahlungsbilanzgefüge vieler Mitglieder geriet durcheinander, sodass Wechselkursanpassungen und damit der Ausritt aus der Währungsschlange unvermeidlich wurden. So kam es, dass am Ende nur die Währungen der Bundesrepublik Deutschland, Dänemarks und der Benelux-Staaten im Europäischen Wechselkursverbund verblieben (vgl. Thomasberg 1993, S. 164).

Es zeigte sich, dass ein System fester Wechselkurse – selbst wenn es regional begrenzt ist – nur zwischen Ländern funktionieren kann, deren Wirtschaftsentwicklung genügend homogen ist. Die Entwicklungen gaben daher den Ökonomisten recht (vgl. Lahnstein 1978, S. 264). Europa schien noch nicht reif für die EWWU zu sein. (vgl. Bundesministerium der Finanzen 1996, S. 25).

Die Diskussion über die Vertiefung der währungspolitischen Zusammenarbeit verstummte aber keinesfalls. Mitte 1978 kam es zu einem Vorstoß von Schmidt und d´Estaing zur Schaffung eines Europäischen Währungssystems. Die Anstrengungen entwickelten eine große Dynamik, sodass bereits im Dezember 1978 in einem Beschluss des Europäischen Rates die Einzelheiten für das zukünftige Währungssystem festgelegt werden konnte. Das EWS wurde schließlich am 13. März 1979 durch eine Abkommen zwischen den Zentralbanken der Mitgliedsstaaten ins Leben gerufen (vgl.  Schuster 1994).

3. Fazit

Nach Harbrecht stellt eine Wirtschafts- und Währungsunion die weitgehenste Form der wirtschaftlichen Integration dar und ist nicht nur ein ökonomischer, sondern vielmehr ein politischer Akt (vgl. Reupke 2000, S. 15-19). Inwieweit war daher der Wernerplan ein Meilenstein auf dem Weg zur heutigen EWWU?

Mit Pompidou und Brandt war nach deren Amtsübernahme 1969 eine Art „neuer Pragmatismus“ innerhalb der Gemeinschaft zu spüren (vgl. Wilkens 2004, S. 217). Doch an Stelle hochfliegender Pläne zur EWWU war in der zum „Zweckverband der Eigeninteressen“ gewordenen Gemeinschaft eine oft zu kurzatmige wirtschaftspolitische Pragmatik getreten (o.V. 1976). Unverkennbar waren die Abstriche, die an den integrationspolitischen Ambitionen des Werner-Plans bis zuletzt vorgenommen wurden (vgl. Wilkens 2004, S. 243).

Es war der Gemeinschaft in den frühen siebziger Jahren nicht gelungen, sich dem Ziel stabilerer Wechselkurse anzunähern. Die Ursachen hierfür lagen zu einem großen Teil in konzeptionellen Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedsstaaten, allen voran zwischen Deutschland und Frankreich (vgl. Steinel 1989, S. 4). Eine lockere zwischenstaatliche Zusammenarbeit, bei der die Entscheidungen bei nationalen Institutionen verbleiben, reicht auf Dauer als Fundament aber nicht aus, was die Weltwirtschaftskrise 1971 deutlich machte (vgl. o.V. 1972, S. 145).

Das Konzept eines europäischen Devisenmarktes stand im Gegensatz zur Funktionsweise des Leitwährungssystems. Dieser Hintergrund erklärt auch, warum der Abbau von Handelshindernissen („funktionelle Integration“) schneller als geplant voranschreiten konnte, wohingegen die Entwicklung gemeinsamer Interventions- und Politinstrumente („institutionelle Integration“)  auf der Strecke blieb. (vgl. Thomasberg 1993, S. 156)

Rückblickend betrachtet war die Diskussion um den Stufenplan zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ein Teil des europäischen Lernprozesses. So ist der Stillstand der europäischen Integrationspolitik in Folge der Weltwirtschaftskrise ab 1974, zugleich auch als eine Denkpause zu sehen, auf der die nachfolgenden Bemühungen der Gemeinschaft aufbauen konnten (vgl. Reupke 2000, S. 32). So finden die Inhalte und Erfahrungen des Wernerplans auch heute noch Anwendung, beispielsweise in den 1992 in Maastricht festgelegten Konvergenzkriterien zur Euro-Einführung.

Es lässt sich daher festhalten, dass es mehr erforderte als nur den politischen Willen, um eine gemeinsame Währung binnen eines Jahrzehnts innerhalb eines Gebiets mit zwei unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen zu schaffen. Die weitere monetäre Integration in der Gemeinschaft sollte daher auch in den kommenden Jahrzehnten „in unregelmäßigen Schüben mit abrupten Rückschlägen und neuen Beschleinigungen“ verlaufen (vgl. Wilkens 2004, S. 243).

Quellen

Primärquellen

  • Brandt, Willy (1969): Erklärung von Bundeskanzler Brandt auf der EWG-Gipfelkonferenz am 1. Dezember 1969 in Den Haag, in: Bundeskanzler Brandt, Reden und Interviews. Presse- und Informationsamt 1971, S. 63-69
  • Deutsche Bundesbank (1969): Europa-Währung eine Fata Morgana?, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln Nr. 68 vom 17. September 1969
  • Deutsche Bundesbank: Der Europäische Wechselkursverbund, in: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Januar 1976, S. 23-30
  • Emminger, Otmar (1986): D-Mark, Dollar, Währungskrisen – Erinnerungen eines Bundesbankpräsidenten, Stuttgart: DVA
  • Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom
    21. März 1972 betreffend die Anwendung der Entschließung vom 22. März 1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft, in: Amtsblatt Nr. C 028 vom 27.03.1971, S. 1-4
  • Klasen, Karl: Die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der EWG aus der Sicht der Deutschen Bundesbank, in: Europa-Archiv 1970, S. 449-458
  • Lahnstein, Manfred: Über die Währungsunion zur Wirtschaftsunion?, in: Europa-Archiv, Folge 9/1978, S. 264
  • o.V. (1971): Europäische Wirtschafts- und Währungsunion – eine politische Herausforderung, in: Europa-Archiv, Folge 12/1971
  • o.V. (1972): Die Europäische Währungsunion zwischen nationalem Krisenmanagement und währungs- und wirtschaftspolitischer Zusammenarbeit, in: Tietmeyer, Hans; Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank (Hrsg.): Währungsstabilität für Europa. Beiträge, Reden und Dokumente zur europäischen Währungsintegration aus vier Jahrzehnten. Baden-Baden: Nomos 1996, S. 135-154
  • o.V. (1976): Die Mühsal der Währungskooperation in der EG, in: Neue Züricher Zeitung vom 18.11.1976
  • Rat und Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1970): Bericht an Rat und Kommission u?ber die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft „Werner-Bericht“, in: Sonderbeilage zum Bulletin II/1970 der Europäischen Gemeinschaften
  • Schiller, Karl: Rede von Bundeswirtschaftsminister Schiller vor dem Deutschen
  • Bundestag in Bonn, in: Amtliches Protokoll des Deutschen Bundestages, 77. Sitzung am 6. November 1970, S. 4294 ff.
  • Williamson, John (1972): Bericht der Arbeitsgruppe des Federal Trust for Education and Research, in: Magnifico, Giovanni: Eine Währung für Europa – Ein Weg zur europäischen Währungsvereinigung. Baden-Baden: Nomos, S. 217-226

Sekundärliteratur

  • Brunn, Gerhard (2002): Die europäische Einigung von 1945 bis heute, Stuttgart: Reclam
  • Bundesministerium der Finanzen (1996): Der Euro. Stark wie die Mark. Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Das Bundesamt der Finanzen informiert, Bonn
  • Czada, Peter, Renner, Günter (1997): Euro und Cent. Europäische Integration und Währungsunion, Bonn: bpb
  • Hiepel, Claudia (2012): Willy Brandt und Georges Pompidou. Deutsch-französische Europapolitik zwischen Aufbruch und Krise, München: Oldenbourg
  • Knipping, Franz, Schönwald, Matthias (2004): Aufbruch zum Europa der zweiten Generation, Trier: WVT, S. 217-244
  • Krägenau, Henry, Wetter, Wolfgang (1993): Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Vom Werner-Plan zum Vertrag von Maastricht, Baden-Baden: Nomos
  • Magnifico, Giovanni (1977): Eine Währung für Europa. Ein Weg zur Europäischen Währungsvereinigung, Baden-Baden: Nomos
  • Reupke, Markus (2000): Die Wirtschafts- und Währungsunion – Die Bedeutung für
    die Europäische Union unter politischer und internationaler Berücksichtigung, BIS: Oldenburg
  • Schuster, Joachim (1994): EG am Scheideweg. Perspektiven der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, Frankfurt am Main: Lang
  • Steinel, Helmut (1989): „Das Europäische Währungssystem“, in: Schuster, Joachim: EG am Scheideweg – Perspektiven der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, Frankfurt am Main: Peter Lang 1994, S. 74
  • Thomasberger, Claus (1993): Europäische Währungsintegration und globale Währungskonkurrenz, Tübingen: Mohr
  • Tietmeyer, Hans (1992): Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Eine deutsche Sicht, Stuttgart: Fischer
  • Tietmeyer, Hans (1996): Währungsstabilität für Europa. Beträge, Reden und Dokumente zur europäischen Währungsintegration aus vier Jahrzehnten, hg. v. Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank, Baden-Baden: Nomos
  • Wilkens, Andreas: Der Wernerplan. Währung, Politik und Europa 1968-1971, in: Knipping, Franz, Schönwald,
  • Matthias (2004): Aufbruch zum Europa der zweiten Generation, Trier: WVT, S. 217-244
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